Ein super Bericht  Jessika Fichtel |Feels like Erfurt

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Thomas Heer näht keine Taschen, er baut sie (so seine eigene Aussage).

Sein Arbeitsplatz im Erfurter Zughafen ist deswegen auch kein Atelier, sondern eine Werkstatt und er kein Künstler, sondern ein Handwerker. Wenn ich an meinen Besuch bei Fawwi zurückdenke, erinnere ich mich vor allem an die unzähligen Materialien, die überall im Raum verteilt zu finden sind und allesamt zu Taschen, Geldbörsen, Rucksäcken, Etuis und Gürteln verarbeitet werden wollen.

Diese bloß als „Stoffe“ abzustempeln, wäre die Untertreibung des Jahres. Wer schon einmal ein handgenähtes Stück von Fawwi in den Händen gehalten hat, wird wissen, dass hierfür nicht einfach herkömmliche Materialien wie Leder oder Polyester eingesetzt werden. Thomas verarbeitet so ziemlich alles, was ihm in die Hände kommt – von der guten alten DDR-Luftmatratze und Medizinbällen über Polsterbezüge und Sakkos bis hin zum Fahrradschlauch und dem robusten Postsack.

Das Ergebnis sind wahre Liebhaberstücke für die Ewigkeit. Denn eines steht fest: Ein Produkt aus dem Hause Fawwi hält einiges aus. Wie alles begann… Ich finde es immer besonders spannend, Menschen zu den Anfängen ihrer Ideen zu befragen. Im Fall von Thomas hat mich natürlich besonders interessiert, wie er darauf kam, Taschen aus Ressourcen zu nähen, die ihre besten Tage längst hinter sich haben. Mit einem Strahlen im Gesicht hat er mir seine Geschichte erzählt.

Alles begann mit einer Tasche, die er vor vielen Jahren im Anger 1 gekauft hatte. Die Errungenschaft war schön, doch ging sie leider viel zu schnell kaputt. Anstatt sie jedoch zu entsorgen, griff Thomas zu Nadel und Faden, um zu retten, was noch zu retten war. Das nötige Geschick wurde ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt. Thomas stammt aus einem handwerklichen Elternhaus, der Vater beispielsweise fertigte Lampenschirme aus Altglas. Auch das Fach Handarbeit, das in der DDR unterrichtet wurde, half ihm dabei, die Tasche zu reparieren. Nach diesem Schlüsselerlebnis kam er nie wieder los von der Thematik. Er probierte nach und nach robustere Stoffe und Materialien aus und nähte erste eigenen Taschen. Dass diese Tätigkeit einmal sein Hauptberuf werden würde, davon ahnte Thomas noch lange nichts.

Nach 10 Jahren in der Speditionsbranche hat er den entscheidenden Schritt schließlich gewagt und sein eigenes Unternehmen gegründet. Mit seinem Label Fawwi – das übrigens die Abkürzung für „Für alles was wichtig ist“ ist – will Thomas zeigen, was Erfurt alles hat und auch ist.

Exkurs: Was ist eigentlich Upcycling? Das was Thomas macht – also alte Materialien in neuwertige Taschen und Co. verwandeln – nennt man Upcycling. Vielleicht ist dir dieser Begriff schon einmal über den Weg gelaufen. Falls nicht, kommt hier eine kurze Erklärung:

Upcycling beschreibt den Prozess, alte, nutz- und wertlose Dinge zu neuen, hochwertigen Produkten „upzugraden“. Indem Thomas beispielsweise eine ausrangierte Luftmatratze nimmt und daraus eine stylische Reisetasche näht – ähm, ich meine baut! – betreibt er feinstes Upcycling. Er gibt dem alten Material eine zweite Chance und bewahrt es vor der Müllhalde. Genau aus diesem Grund kann Upcycling auch als besonders nachhaltig bezeichnet werden.

Alte Stoffe = alte Namen Schaut man sich auf der Homepage von Fawwi um, fallen einem nicht nur die originellen Produkte auf, sondern auch die nicht minder originellen Namen. Logisch, dass ich da noch etwas genauer nachhaken musste. Im Gespräch verriet mit Thomas, dass er nur wenig von Artikel-Nummern hält, da er diese unpersönlich findet und sich sowieso nicht merken kann. Um die Produkte dennoch voneinander unterscheiden zu können, denkt er sich regelmäßig witzige Bezeichnungen aus, die sich aus einem Artikel – also „der“ oder „die“ – einem Adjektiv wie „tragende“, „auffallende“ oder „berühmte“ und einem Vornamen, zum Beispiel Bodo, Gisela oder Mechthild, zusammensetzt. Heraus kommen so klangvolle Produktbeschreibungen wie „Der adlige Harald“, „Der planschende Herbert“ oder „Die bunte Berta“. Warum immer so „eingestaubte Oma- und Opa-Namen“? Ganz einfach: Weil alte Materialien auch nach alten Namen verlangen, so die Überzeugung von Thomas. Einen „fetzigen Martin“ oder eine „sportliche Christin“ wird man also nicht so schnell im Angebot von Fawwi finden.

Stell‘ dir deine eigene Tasche zusammen Nicht zuletzt unterstreichen die Namen, die Thomas seinen Produkten gibt, deren einzigartigen Charakter. Jede Tasche, jedes Federmäppchen, jeder Rucksack ist ein handgefertigtes Unikat. Allein das ist meiner Meinung nach schon extrem cool. Es geht allerdings auch noch eine Stufe individueller. Wenn du beispielsweise eine genaue Vorstellung deiner zukünftigen Tasche hast, eine besonders wilde Kombi wünschst oder sogar ein eigenes Material (mit persönlicher Geschichte) hast, das verarbeitet werden soll, stößt du bei Thomas auf zwei offene Ohren und viel Kreativität. Fawwi-Bezugsstellen Individuelle, handgefertigte, Upcycling-Taschen (und mehr) aus Erfurt klingen für dich ziemlich cool? Dann wird es dich sicher brennend interessieren, wo du die Fawwi-Produkte überall käuflich erwerben kannst. Ich verrate es dir natürlich gern. Der direkteste Weg ist sicherlich der Online-Shop. Wenn du nicht nur eine neue Tasche haben willst, sondern auch an einem Plausch mit Thomas interessiert bist, empfehle ich dir, auf einem Kreativmarkt mit Fawwi-Stand oder direkt in seiner Werkstatt vorbeizuschauen. Last but not least findest du sowohl im Mrs. Hippie (Regierungsstraße 71) als auch im Café Süden (Tschaikowskistraße 21) eine kleine feine Auswahl an Fawwi-Produkten, die direkt geshoppt werden können. Wenn es dich nach Weimar oder Jena verschlägt, kannst du auch im schauschau oder im Fräulein Meier FACHgeschäft vorbeischauen.